Liquid Alternatives erfreuen sich seit Jahren eines anhaltenden Booms, da sie ein verlockendes Versprechen abgeben: Marktunabhängig eine Rendite zu erzielen, die durchschnittlich auf dem Niveau einer Anleihe guter Bonität von vor 15 Jahren liegt. Am konservativen Ende des Spektrums liquider Alternativstrategien sind solche angesiedelt, die möglichst stetig eine systematisch zu vereinnahmende Risikoprämie verdienen sollen. Im Prinzip ähneln sie dem Ertragsprofil einer festverzinslichen Anlage. Da die meisten der Risikoprämien, die über Liquid Alternatives vereinnahmt werden, keinem Zinsänderungsrisiko unterliegen, erhält man theoretisch sogar eine optimiertes Ertragsprofil.
Das klingt zugegebenermaßen zu gut, um wahr zu sein. Deshalb kommt nun der Haken: Investoren können Strategien finden, die dieses konservative Profil tatsächlich an den Tag legen. Viel öfter aber können sie Strategien finden, die dieses nur dem Anschein nach liefern – in Wahrheit aber Risiken beinhalten, die man als konservativer Investor nicht eingehen möchte.
Der obige Chart illustriert dieses Prinzip. Von seiner Auflage Ende 2012 bis zum Jahresbeginn 2020 blieb dieser exemplarische Fonds seinem Versprechen treu, ziemlich stetig eine Rendite von ca. 2-3% p.a. zu vereinnahmen. Mit der Länge des Bestehens wuchs auch die Bereitschaft, das als Beleg für die Solidität der Strategie zu betrachten. Dann aber kam der globale Corona-Shutdown im Februar 2020 und dicht auf den Fersen folgte der schnellste Aktienmarktcrash der Geschichte – genau das Szenario, das niemand erwartet hätte. Qua Strategie ist es allerdings nachvollziehbar, dass der Fonds sich unter diesen Marktgegebenheiten verhielt wie dargestellt. Hatte man sich zuvor hinreichend mit der Strategie beschäftigt, musste man sich dieses Risikos also bewusst sein. Doch bis zum Corona-Crash hielt man nicht für möglich, dass eine Bewegung dieses Ausmaßes möglich wäre und blendete dieses Risiko deshalb weitgehend aus.
Conclusio: Liquid Alternatives sind ein innovatives und performantes Tool, um ein konservatives Anlageprofil zu realisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss man mehr denn je den bisherigen Verlauf beiseitelegen und sich der innersten Mechanik einer Strategie widmen. Denn ein Track Record offenbart oftmals just diejenigen kritischen Risiken nicht, die sich zwar nur in seltenen Szenarien manifestieren (und somit noch nicht im Track Record), dann aber tödlich sind. Das Augenmerk muss uneingeschränkt auf der zentralen Wirkungsweise einer Strategie liegen, sodass man sich wirklich klar darüber ist, welche Fallstricke eine Strategie potenziell besitzt. Erst wenn man aus der Mechanik einer Strategie den schlimmsten Fall skizzieren kann und ihn für vereinbar mit dem eigenen Risikoverständnis hält, steht eine Investitionsentscheidung auf einem soliden Fundament. Andernfalls merkt man erst, wie tief ein vermeintlich stilles Wasser ist, wenn man hineingefallen ist.